Es sieht gut aus. Die Corona-Inzidenzen sind einstellig, mancherorts sogar auf Null, immer mehr Menschen sind durch Impfungen besser geschützt, Restaurants und Kulturstätten öffnen wieder. Alles wie früher!?
Sicherlich bin ich nicht der einzige, den die Pandemie auf dem linken Fuß erwischt hat. Mein Altersruhestand war noch keine 3 Monate alt, da hieß es: „Zu Hause bleiben!“ Für wie lange? Zwei Wochen, drei oder vielleicht sogar vier, so hatte ich geglaubt. Es gab keine zufälligen Begegnungen mehr. Die Kolleg*innen waren weit weg, die Nachbarschaft in der neuen Heimat (wir waren anlässlich des Ruhestandes umgezogen) kannte ich noch nicht, auch beim Einkaufen nur unbekannte Gesichter.
Überraschende Erfahrungen
Aus den erwarteten Wochen wurden Monate. Um Kontakt mit anderen zu pflegen und neue Kontakte zu knüpfen, musste auch ich andere Wege erproben. Skype kannte ich bereits; ein Einstieg. Zoom und Teams kamen dazu und so fühlte sich das Leben dann bald wieder etwas lebendiger an. “Weil Nähe zählt”, lautet ein Leitspruch der Malteser, das will auch zu Pandemiezeiten gelebt sein. Zu Online-Sitzungen kamen zunehmend private Runden und dann sogar Gebetsabende und Schriftgespräche, wo wir uns online über Bibelstellen austauschen; was für eine überraschende Erfahrung! Selbst Freunde, die alters- oder Gesundheitsbedingt kaum noch am öffentlichen Leben teilnehmen können, waren nun wieder dabei. Und das nicht nur in der Nachbarschaft. Die Digitalität erlaubt Runden unabhängig vom Wohnort. Es gab Abende, da waren die Teilnehmenden über ganz Deutschland verstreut. Auch das Alter war kein Hindernis.
Eine Dame im stolzen Alter von 86 Jahren schickte Ihren Sohn los, der musste ihr ein Tablet kaufen und einrichten. Nach kleinen Startschwierigkeiten berichtete sie strahlend, dass sie Ihren Mann zu Hause pflegt und sich riesig auf unsere abendlichen Online-Runden freut, die zu den wenigen Kontaktmöglichkeiten gehören, die ihr geblieben sind. An anderen Bildschirmen tauchten Kindergesichter auf, die in die Kamera schauten und zusammen mit Vater und Mutter aktive Teilnehmende der Runde waren.
Kontaktpflege hat sich verändert
So hat die Pandemie meine Kontakte nicht wesentlich eingeschränkt, aber erheblich verändert. Waren die Corona-Bedingungen günstig und Zusammenkünfte erlaubt, kam es immer wieder zu Verabredungen „in Präsenz“; Ausflüge oder Wandertage. Wenn ich heute mit Maltesern oder auch mit Verwandten telefoniere, kommt es häufiger vor, dass, wir auf Skype oder Teams umsteigen und das Gespräch als Videotelefonie fortsetzen. So war und ist Nähe möglich!
Wenn alles gut geht, uns eine vierte Corona-Welle erspart bleibt und das öffentliche Leben sich weiter normalisiert, möchte ich diese guten Erfahrungen nicht missen. Gerade im Blick auf das weiter steigende Durchschnittsalter in Gesellschaft und Kirche sind diese Erfahrungen Hoffnungsspender: Alt werden, krank sein, das muss nicht das Ende der Kontakte bedeuten! Auch die weiter zunehmende Mobilität muss nicht heißen, dass wir uns aus den Augen verlieren.
Nähe lässt sich häufig nicht in Kilometern oder Zentimetern ausdrücken, sie ist oft eine Frage offener Herzen und der praktischen Möglichkeit, in Kontakt zu treten und zu bleiben. So wünsche ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, dass Sie, egal was kommen mag, nicht abgehängt werden, sondern gut im Kontakt sind und bleiben mit den Menschen, die Sie lieben und die Ihnen anvertraut sind. Weil Nähe zählt!
Thomas Müller
Thomas Müller
Diakon i.R. im Bistum Hildesheim, Referent für Malteser Pastoral
Er genießt Ruhestand und Opa sein und erlebt immer wieder: “In jede Zeit hat Gott den Funken der Ewigkeit gelegt!” (Koh 3,11)